Ich war ja geschockt, als ich gehört habe, dass in Deutschland schon mehr als 1,3 Millionen Kinokarten für "50 Shades of Grey" verkauft worden sind. Obwohl - geschockt ist eigentlich nicht das richtige Wort; "entsetzt" trifft es besser. In Zeiten, in denen man sich ohne Probleme sämtliche Arten und Weisen sexueller Möglichkeiten zu Hause auf den Rechner laden kann (und das sogar umsonst und ohne dass der Ehemann/der Nachbar/die eigenen Eltern etwas davon mitbekommen), rennt die Bevölkerung los, um sich auf der großen Leinwand anzugucken, wie eine Frau sich freiwillig erniedrigen lässt.
Und nennt das dann Unterhaltung.
Genauso wie das Buch. Und nein, ich habe es nicht gelesen. Ich habe auch ehrlich gesagt nicht das Bedürfnis dazu. Im Gegenteil - ich kriege zuviel, wenn ich auf der Suche nach Lesestoff in den Bestsellerlisten auf meinem Kindle auf unzählige "erotische Romane" treffe, deren Zielgruppe eindeutig Frauen sind. Wie es aussieht, bekommt erotische "Literatur" im Moment eine ganz neue "Qualität". Wehe, wenn sie losgelassen!
Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann passt dieses Phänomen auch gut zu dem, was ich auf den Covern von Frauenzeitschriften im Supermarkt sehe. Da ist mir besonders eine Schlagzeile der Cosmopolitan in Erinnerung geblieben, die da so schön lautete: "Sex up your Alltag!"
Allen Ernstes.
Das alles erinnert mich an den Hype, der damals um "Basic Instinct" betrieben wurde. Ja, ich weiß, ist schon lange her. 1992, um genau zu sein Nur, dass die Protagonistin vor 23 Jahren sich nicht einfach so dominieren ließ - im Gegenteil... Böse Zungen könnten also einen ziemlichen Rückschritt in der Frauenbewegung vermelden.
Ich erlaube mir also nun, mich offiziell als Feministin zu outen. Der gesunde Menschenverstand sagt mir, dass man gar nichts anderes sein kann, und das geht sogar, ohne in Latzhosen durch die Gegend zu laufen und Plakate gegen Männerdominanz zu schwingen. Gleichberechtigung heißt eben "gleiche Rechte, gleiche Pflichten". Ich bin im Gegensatz zu meinen Vorfahrinnen in einer Generation aufgewachsen, in der es ganz selbstverständlich ist, den Führerschein zu haben und nicht erst den eigenen Mann fragen zu müssen, ob ich denn auch arbeiten darf. Und ich finde es ebenso selbstverständlich, dass ich nach dem Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz genauso viel verdiene wie meine männlichen Kollegen. Ich habe auch die volle Kontrolle darüber, ob ich heirate oder nicht, Kinder bekomme oder nicht, mich trenne oder nicht, und ich finde es völlig normal, dass ich selbst in der Verantwortung stehe, wenn es darum geht, meine Rente abzusichern. Es käme mir auch nie in den Sinn, mir von jemand anderem vorschreiben zu lassen, für wen ich denn bitte bei der nächsten Wahl mein Kreuzchen mache. Ich halte viel von Selbstverwirklichung jeglicher Art - und Selbstverantwortung. Und ich gebe durchaus zu, dass das nicht immer einfach ist.
Gleichzeitig erlaube ich mir, ein paar ketzerische Fragen zu stellen.
Wie kann es sein, dass es auf einmal wieder "in" ist, wenn sich Frauen dominieren lassen? Welches Bild vermitteln wir unseren Mitmenschen, wenn wir scharenweise in einen Film gehen, in dem es um nichts anderes geht? Wie können wir von einem Mann verlangen, dass er uns ernst nimmt, wenn wir uns im Netz Geschichten wie "Eva - Erziehung zur Lust Band 1-3" oder "Abgründe der Hingabe (Sammelband)" für 3,99 EUR ziehen und neben uns auf dem Sofa die Cosmo liegt (aktuell auf dem Cover: "Fass mich an!")?
Wo verdammt nochmal ist unsere Selbstachtung geblieben?
Jedenfalls nicht in den unzähligen Online-Foren, in denen sich erwachsene Frauen zum Experimentieren und Dominiert-Werden anbieten und dabei mitunter auch sämtliche Vorsicht über Bord werfen. Glauben Sie mir, solche Selbsterfahrungstrips landen öfter auf meinem Schreibtisch, als Sie es wissen wollen. Einschließlich der einschlägigen Fotos von Spielzeugen aus der "50 Shades of Grey"-Serie in regem Gebrauch. Und Sie können wetten, dass diese Aufnahmen ursprünglich nicht für meine Augen bestimmt waren. Oder die eines Richters.
Das sind Dinge, die man einfach nicht sehen will. Aber es gibt sie.
Fragen wir uns doch einfach mal, warum.
Und zwar ohne irgendwelche Dogmen.