Samstag, 9. August 2014

Unfallfolgen

Ich habe ja nun schon so einige Unfälle mit Personenschaden reguliert. Aber ist doch etwas anderes, wenn... 

Wenn Sie einen Anruf bekommen, dass Ihr Mann einen Unfall hatte, Sie alles stehen und liegen lassen, gerade noch Ihrem Schwiegervater Bescheid geben und sich dann selbst ins Auto schwingen, um sich, in Unkenntnis, was genau passiert ist, auf den Weg zur Unfallstelle zu machen.

Wenn Sie dabei hinter dem Krankenwagen herfahren, von dem Sie wissen, dass er für Ihren Mann bestimmt ist. Wenn Sie aber abreißen lassen müssen, weil Sie selbst ja nicht im Gegenverkehr landen wollen und Sie ja nunmal keine Sonderrechte in Anspruch nehmen dürfen.

Wenn Sie dann noch sehen, dass so ein blöder riesiger mit Holz beladener Lkw es nicht schafft, zur Seite zu fahren, um die Rettungsgasse freizuhalten und den Krankenwagen durchzulassen. Wenn Sie dann auch noch von der Polizei mit Blaulicht und Vollgas überholt werden.

Und wenn Sie dann an der Unfallstelle ankommen und das hier sehen:



Wenn Ihnen dann für einen Moment richtig schlecht wird, weil Sie wissen, dass Ihr Mann noch vor einigen Minuten darin gesesessen hat.

Wenn Ihr Mann deshalb gerade im Krankenwagen notärztlich versorgt wird, Sie ihn aber noch nicht sehen dürfen.

Wenn Ihnen einfällt, wie viele Stunden und wieviel Herzblut Ihr Mann investiert hat, um den Wagen, liebevoll "Würfel" genannt, so aufzubauen, wie er ihn haben wollte, und er gerade damit fertig geworden war. 

Wenn sich der Unfallverursacher offensichtlich unverletzt rauchend mit der Polizeibeamtin unterhält und sich, immerhin rund eine halbe Stunde nach dem Unfall, erkundigt, ob "er" denn alleine im Auto gesessen hätte.

Wenn Sie den Herren am liebsten laut angeschrieen hätten, dass er gefälligst ein paar Minuten eher zu Hause losfahren soll, damit er Ruhe hat, zu gucken, ob die Kreuzung auch wirklich frei ist.

Wenn Sie versuchen, sich zu beruhigen, und dann merken, dass Sie Ihre eigenen Zigaretten vergessen haben.

Wenn man Sie dann in den Krankenwagen lässt, Ihr Mann Sie immer noch leicht verdutzt, aber sonst im Vergleich zu seinerm Auto in einer den Umständen entsprechend vergleichsweise guten Verfassung anguckt und Sie merken, dass Sie noch nie in Ihrem Leben so froh waren, ihn zu sehen.

Wenn Sie ihm in diesem Moment sogar verzeihen, dass er immer vergisst, die Milch in den Kühlschrank zu stellen.

Wenn Sie dann dem Krankenwagen hinterherfahren, dieses Mal immerhin ohne Blaulicht und Martinshorn.

Wenn sich die Ärztin in der Notaufnahme über die drollige Frisur Ihres Mannes freut, während sie nach Glassplittern in seinem Arm sucht und sich mit ihm über die Vorteile flüssigen Klebers unterhält.

Wenn Sie ihn dann, immer noch mit diversen winzigen Glassplittern im Bart, mit nach Hause nehmen können, und Ihnen auf dem Weg dann auch noch der Abschlepper entgegenkommt, der gerade das Autowrack nach Hause gebracht hatte.

Wenn Sie das Gesicht Ihres Mannes sehen, der gerade zum ersten Mal sein Auto wieder auf allen vier Rädern sieht.

Wenn Sie selbst versuchen, nicht so auf die komplett gesplitterte Frontscheibe und die Blutspuren an der Sonnenblende zu starren.

Wenn Sie sich dann fragen, wo Sie die Klamotten Ihres Mannes hinpacken sollen, die ja nun nicht mehr zu gebrauchen sind.

Wenn Sie die verschrammte Uhr Ihres Mannes in der Hand haben und plötzlich merken, dass die Innenseite des Armbandes komplett vollgeblutet ist.

Wenn Sie dann später in der Nacht wach werden, nur um überglücklich zu sein, dass Ihr Mann neben Ihnen liegt und ruhig atmet.

Sie können sich denken, dass die Sache damit noch nicht ausgestanden ist. Es stimmt, das Wichtigste ist, dass er wieder in Ordnung kommt, und ein anderes Auto wird sich irgendwann auch finden. Inzwischen bin ich auch in der Phase, dass ich merke, dass auch ich einiges aus der Sache gelernt habe. Ich kann mir nun nicht mehr nur vorstellen, wie man sich fühlt, wenn jemand, den man liebt, so einen Unfall hatte. Ich weiß es jetzt.

Und ich bin sowas von dankbar, dass nicht mehr passiert ist. 

Alles wird gut.

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