Tag 1 - Montag
Mit elf Frauen machten wir uns also auf den Weg in die Freie und Hansestadt Hamburg - per Bahn. Und tatsächlich: Wir hatten keine nennenswerte Verspätung. Nur am Hamburger Hauptbahnhof musste die gesamte Besatzung in einen komplett anderen Zug umsteigen, denn unser ICE hatte wohl irgendwelche technischen Probleme (über deren Schwere und mögliche Konsequenzen ich mir ehrlich gesagt nicht wirklich den Kopf zerbrechen wollte. Vielleicht betraf es ja auch einfach nur die Klimaanlage.). Die letzten paar Minuten zum Bahnhof Dammtor verbrachten wir also im Stehen - es hätte sich nicht wirklich gelohnt, extra nochmal unsere reservierten Plätze zu suchen.
Um die Ecke geht es in den Bäckerbreitergang, einen der letzten Überreste des Neustädter Gängeviertels. Ein kleines Fachwerkhaus am anderen, heute richtig pittoresk. Früher ging es hier nicht ganz so beschaulich zu, die Gegand wurde von den wohlhabenderen Pfeffersäcken auch gerne "Verbrecherquartier" genannt...
Am frühen Nachmittag folgte dann schon der erste Beratungsstellen-Besuch, und zwar bei "Wendepunkt e.V." in der Altonaer Schillerstraße. Bitte nicht mit dem Gütersloher Wendepunkt verwechseln! Hier befindet sich eine Beratungsstelle für sexuell auffällige Minderjährige und junge Erwachsene, während sich der Gütersloher Wendepunkt der anderen Seite, also den von sexualisierter Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen, widmet.
Hier ging es also, für viele von uns eher ungewohnt, um die Arbeit mit denjenigen, die die Übergriffe verüben. Laut Wendepunkt sind rund 25 % der Tatverdächtigen in diesem Deliktbereich unter 21. Ein Schwerpunkt dabei ist die Ambulante Rückfall-Prophylaxe (ARP). Die Arbeit mit Tätern dient ja eben nicht nur dem Täter selbst, sondern schützt auch weitere potentielle Opfer, und schon allein dadurch sollte eigentlich die Frage, ob es auch wirtschaftlich lohnenswert ist, von öffentlicher Hand Täterarbeit zu finanzieren, beantwortet sein.
Ganz ehrlich, also wir dort wieder herauskamen, rauchte mein Kopf mindestens so stark wie die Zigarette in meiner Hand. In meinem Hirn fuhren meine Gedanken Achterbahn. Wollen Sie ein Beispiel? Gerne, bitte schön:
Wenn die Tat im strafrechtlichen Verfahren geleugnet und abgestritten wird, was das Zeug hält, dann dient das hauptsächlich dazu, nicht verurteilt zu werden. Kein Straftäter geht gerne in den Knast. Das entspricht der juristischen Betrachtungsweise: Wenn eine Tat nicht bewiesen werden kann, dann kann der Täter auch nicht verurteilt werden. Wenn Sie so wollen: Es gibt einen Freispruch aus Mangel an Beweisen.
Nun kam für mich zu der juristischen noch eine sehr vielschichtige psychologische Sichtweise dazu: Welche Ursachen kann das Leugnen in der Psyche haben, und vor allem auch - welche Konsequenzen? Um welche Art des Leugnens handelt es sich (es gibt nicht nur eine!), und wozu soll es - auch unbewusst - dienen?
Ich habe da wirklich gesessen und gedacht: "Puuuuh. Das sollten sich einige Strafverteidiger auch mal anhören. Und einige Richter auch." Das einfache Schweigen vor Gericht kann also längst nicht so eindimensional sein, wie es die Juristen gemeinhin annehmen...
Ich bin immer noch dabei, über die Konsequenzen des dort Gehörten zu grübeln.
Aber wie es so ist - wer angestrengt grübelt, der muss auch irgendwann etwas essen. Wegen des ausgefallenen Mittagessens war das zu diesem Zeitpunkt dann auch ziemlich notwendig. Wir nahmen die U-Bahn in die Innenstadt und landeten im Salon des Café Paris in der Rathausstraße. Wenn ich richtig gezählt habe, dann haben acht (oder neun?) von uns die Galette mit Auberginenpüree, gegrilltem Gemüse und Ziegenkäse genommen. Und das ganz ohne peer pressure... glaube ich. Ach ja, falls Sie sich fragen, was eine Galette ist:
Ganz einfach: Ein Crêpe. Wieder was gelernt.
Nicht wirklich hanseatisch, aber... Schwamm drüber.
Nach einem wegen des unschön starken Regens viel zu kurzen Bummel in der Gegend um den Jungfernstieg landeten wir dann schließlich wieder im Hotel, wo wir im Café den Abend gemütlich ausklingen lassen konnten.
(Fortsetzung folgt.)
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