Montag, 15. Juli 2013

Der Fall Trayvon Martin: Bei uns wäre er anders ausgegangen.

Nehmen wir mal an, ein deutsches Gericht hätte denselben Sachverhalt zu verhandeln gehabt. Was wäre dann passiert?

(Halt, eine Einschränkung müssen wir machen. Unser Waffenrecht ist ein anderes. Bei uns ist das Recht, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht wortwörtlich in der Verfassung verankert. Lassen wir mögliche Waffendelikte also mal außen vor, sondern kümmern uns um die Tötungsdelikte.) 

Knackpunkt Nummer 1 dürfte die Frage einer Notwehrsituation sein. Unstreitig war Trayvon Martin unbewaffnet und war auch nicht im Begriff, eine Straftat zu begehen. Demnach scheidet eine objektive Notwehr- oder auch Nothilfesituation aus. 

Deshalb muss man weiter fragen: Ging Zimmerman wirklich irrtümlich von einer Notwehrsituation aus? Dann hätte es sich um eine sogenannte Putativnotwehr gehandelt. Zimmerman wäre, wenn es ihm nicht möglich gewesen wäre, seinen Irrtum zu erkennen, verpflichtet gewesen, angemessen zu handeln, also das mildeste Mittel anzuwenden, das ihm in diesem Moment zur Verfügung stand. 

Selbst wenn man, aus welchem Grund auch immer, einen nicht vermeidbaren Irrtum bejahen würde, müsste man also prüfen, ob der Schuss in den Oberkörper das mildeste Mittel war. Das dürfte zweifelhaft sein. Hätte ein Warnschuss in die Luft gereicht? Aller Wahrscheinlichkeit nach schon. Oder ein Schuss in die unteren Extremitäten? Auch dann wäre Trayvon Martin wahrscheinlich noch am Leben. 

Ein deutsches Gericht wäre also aller Wahrscheinlichkeit nach von einem sogenannten Putativnotwehrexzess ausgegangen - von einer Unverhältnismäßigkeit des gewählten Mittels bei einer fälschlich angenommenen Notwehrlage. 

Knackpunkt Nummer 2 wäre die Frage gewesen, welches Delikt hier in Frage gekommen wäre. Fahrlässige Tötung, Totschlag oder doch Mord? 

Auch hier könnte ich nur einen Konjunktiv an den nächsten reihen. Für eine genaue Beurteilung müsste ich nämlich den - beweisbaren - Sachverhalt wirklich genau kennen. Ein wesentlicher Punkt ist auch immer die Motivlage des Täters, umso mehr dann, wenn eine Verurteilung wegen Mordes zu prüfen ist. Und ganz ehrlich - dafür fehlen mir die notwendigen Informationen, auch wenn vieles hier für Totschlag spricht. 

Hier war es so, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt als Mord angeklagt hatte. Die Geschworenen konnten sich aber nicht auf einen Schuldspruch wegen Mordes einigen. Deshalb haben sie Zimmerman freigesprochen. 

Wenn eine deutsche Staatsanwaltschaft den Sachverhalt als Mord eingestuft und als solchen angeklagt hätte, dann wäre nicht zwingend auch eine Verurteilung wegen Mordes dabei herausgekommen. Dieses "Alles-oder-nichts"-Prinzip gilt im deutschen Strafrecht nicht. Das Gericht kann, wenn es vorher einen entsprechenden Hinweis gegeben hat, denselben Sachverhalt rechtlich anders beurteilen und dann zu einer Verurteilung wegen Totschlags oder auch nur wegen fahrlässiger Tötung kommen. 

Die Möglichkeit eines Freispruchs sehe ich hier eigentlich nicht. 

Das bringt uns zu Knackpunkt Nummer 3: Die Zusammensetzung des Gerichts. Wir haben keine Geschworenen, die allein über Schuld und Unschuld entscheiden, sondern in Fällen wie diesen hier ein Gericht, das sich aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffen zusammensetzt. Das heißt, dass die rechtliche Beurteilung in der Mehrzahl in den Händen geschulter Juristen liegt, im Zweifelsfall aber immer noch der nicht durch die Juristerei verdrehte gesunde Menschenverstand der Schöffen etwas ausrichten kann. Auch muss man nicht zwölf, sondern nur fünf Meinungen unter einen Hut bringen, was die Sache schon einmal wesentlich erleichtert. 

Außerdem muss das Urteil genauestens begründet werden, und zwar auch ein Freispruch, denn bei einem Freispruch könnte auch die Staatsanwaltschaft in Revision gehen. 

Diese Vorgehensweise soll unter anderem auch verhindern, dass die Rassenkarte ausgespielt wird. Und das ist auch gut so! Es macht das Schubladendenken nämlich ungemein schwerer, und zwar für alle Beteiligten. 



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