So ganz unbekannt ist mir das Prozedere als solches aber nicht, jetzt mal unabhängig davon, ob verfassungsrechtliche Bedenken bestehen oder nicht. Als Anwalt machen Sie so etwas ständig: Sie schließen Widerrufsvergleiche... wenn auch vielleicht nicht gerade morgens um halb 6. Wer kann denn bitte schön um diese Uhrzeit noch vernünftig denken?
Was also ist ein Widerrufsvergleich?
Ein Widerrufsvergleich ist ein Unterfall des "normalen" Vergleichs, bei dem beide Seiten jeweils in ihrer Position ein wenig (oder auch ein wenig mehr) nachgeben. Diese Variante kommt vor allem dann in Betracht, wenn der Mandant bei der mündlichen Verhandlung nicht dabei ist oder wenn noch Dinge abgeklärt werden müssen, die der Mandant nicht zwingend beeinflussen kann, z.B. ob die Rechtsschutzversicherung den Vergleich mitträgt oder ob ein Lieferant ein bestimmtes Ersatzteil überhaupt noch liefern kann. In einem solchen Fall versuchen Sie, den Vergleich "auf Widerruf mitzunehmen". Einen Anspruch darauf haben Sie aber nicht.
Man vergleicht sich also, nimmt aber in den Vergleich zusätzlich den Passus auf, dass der Vergleich von einer (oder manchmal auch von beiden) Parteien innerhalb einer bestimmten Frist widerrufen werden kann. Wird der Widerruf in dieser Zeit erklärt, dann ist der Vergleich hinfällig, und man muss die Sache anders zu Ende bringen, sei es durch einen anderen Vergleich oder eben durch ein gerichtliches Urteil.
Wenn keine der Parteien den Widerruf erklärt, dann kommt der Vergleich so zustande, wie man ihn in der mündlichen Verhandlung ausgehandelt hatte, und das Verfahren ist erledigt.
Ich habe in meiner Praxis die Erfahrung gemacht, dass diese Widerrufsvergleiche meist halten - zumindest die auf meiner Seite. Natürlich wird das Ende des Rechtsstreits durch die zusätzliche Wartezeit noch einmal ein bisschen herausgeschoben, was für manche Mandanten belastend sein kann, aber oft lohnt sich der Aufwand, vor allem auch, weil man die kreativeren Vergleiche schließen kann, die auf die Problemlösung des Mandanten wirklich maßgeschneidert sind.
Wenn ich aber für den Koalitionvertrag eine Prognose stellen sollte - nun, in diesem Fall halte ich mich zurück. Ich habe ja schließlich kein Parteibuch...
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