Donnerstag, 29. August 2013

Unlust versus Schulpflicht

oder: Kein Home Schooling in Good Old Germany


Wissen Sie, was mich (vor Urzeiten) am Schülerdasein am allermeisten gestört hat? Die Tatsache, dass ich morgens um Viertel nach sechs aufstehen musste, um den Bus um fünf nach sieben zu erwischen. Ansonsten hatte ich keine größeren Probleme, wenn man mal davon absieht, dass ich auch heute noch in naturwissenschaftlicher Hinsicht völlig talentfrei bin (womit ich allerdings gut leben kann).

Dass ich mal "blaugemacht" habe, kam vielleicht einmal im Jahr vor, aber das ist ja noch extrem wenig im Vergleich zu dem Fall eines Jungen aus dem Kreis Warendorf, den das OLG Hamm Anfang der Woche zu entscheiden hatte.

Das Problem dieses Jungen war, dass er einfach keine Lust hatte, zur Schule zu gehen. Über die genauen Ursachen dafür ist nichts bekannt geworden. Aber schon in der ersten(!) Klasse hatte er 40 (in Worten: vierzig) Fehltage angesammelt, und so ging es dann weiter. Auch mehrere Schulwechsel konnten seine Motivation nicht wirklich fördern.

Die Eltern entschieden schließlich, dass sie ihren Sohn nicht gegen seinen Willen zur Schule zwingen wollten. Stattdessen wurde er von der Mutter zu Hause unterrichtet, was immerhin so gut funktionierte, dass er auf ungefähr demselben Bildungsstand war wie seine inzwischen ja nicht mehr vorhandenen Klassenkameraden.

Der Haken an der Sache ist, dass das "Home Schooling" zwar in den USA, aber eben nicht in Deutschland erlaubt ist. Hier gilt nun mal die allgemeine Schulpflicht, und wer nicht dafür sorgt, dass sein Kind auch tatsächlich in der Schule erscheint, läuft Gefahr, sich dem Vorwurf der Kindeswohlgefährdung auszusetzen, was im Extremfall auch zum Entzug des Sorgerechts durch das Familiengericht führen kann. 

Dieser Vorwurf stand also auch hier im Raum. Das Ergebnis der mündlichen Verhandlung war, dass den Eltern für den Teilbereich "Schule" die elterliche Sorge entzogen wurde, sie das Sorgerecht im übrigen aber behalten konnten, weil ansonsten wohl alles in Ordnung war. Trotzdem mussten sich die Eltern vom Gericht, das auch einen Sachverständigen beauftragt hatte, vorhalten lassen, dass sie in der Erziehung versagt hätten, weil sie ihrem Sohn keine Grenzen und Regeln setzten. Pflichten seien dem Kind deshalb unbekannt.

Die Eltern werden ihrem Sohn nun also erklären müssen, weshalb er nach den Sommerferien wieder zum Unterricht antreten muss - und zwar in einer "richtigen" Schule, mit "richtigen" Lehrern und "richtigen" Mitschülern, egal, ob er mag oder nicht.

Die Umstellung für ihn dürfte riesig werden, aber wahrscheinlich eine Kleinigkeit gegen die unschätzbare Erkenntnis, dass es im Leben manchmal eben nicht so läuft, wie man es möchte, auch wenn man noch so doll quengelt... 

OLG Hamm, 8 UF 75/12

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