Auch nach dreizehn Jahren Anwaltsdasein gibt es tatsächlich noch Dinge, die mich aufregen können. Eigentlich kann man sie in zwei Kategorien packen: Rücksichtslosigkeit und unnötige Unfähigkeit. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich mich über alles aufrege, was aus meiner Sicht darunter fällt, aber ab und an nehme ich mir einfach mal die Freiheit, meinen Frust rauszulassen.
Und mein Lieblings-Frustablasser ist im Moment - wie könnte es auch anders sein? - unsere Baustelle! Da kann ich nämlich in beiden Kategorien Gummipunkte vergeben, und zwar nicht zu wenige.
Übrigens: Heute sitzen wir immerhin seit 77 Tagen in der Vollsperrung. In Worten: Siebenundsiebzig.
Worüber ich mich schon gar nicht mehr aufrege, sind die ständigen Verzögerungen, obwohl ich mir 100 %ig sicher bin, dass man Amphibientunnel und anderes Material rechtzeitig bestellen kann und dass man, wenn man schon meint, im Spätherbst an einer Straßenbaustelle herumdoktorn zu müssen, mit in die Planung einbeziehen kann, dass der Himmel vielleicht auch mal nicht strahlend blau ist und der erste Frost kommt.
Was mich wirklich aufregt ist die Tatsache, dass die Strabag eine völlig verfehlte Informationspolitik betreibt. Wir erinnern uns: Die einzigen Informationen, die wir offiziell bekommen haben, waren diese beiden Zettel hier:
Wie sich dann herausstellte, waren diese "Informationen" noch nicht einmal das Papier wert, auf dem sie gedruckt worden waren. Vor allem die Sperrzeiten, die man im Schreiben der Strabag angegeben hatte, wurden nicht eingehalten. Das Wetter und die Materialknappheit waren dazwischen gekommen.
Ist schon blöd, wenn man so hängengelassen wird. Fragen Sie mich nicht, wieviele Termine ich in den letzten Wochen umgelegt habe. Es waren einige. Toll für mich und auch für meine Mandanten. Und ein Privatleben hat man ja auch noch.
Das krasseste Erlebnis hatten wir jedoch an einem Freitag Morgen so gegen halb 11. Wir standen hier abfahrbereit, geschniegelt und gespornt, als ein
Mann in Orange (M.i.O.) die Einfahrt hinuntergelaufen kam:
"Ihr müsst ja heute hier nicht mehr raus, oder?"
"Doch, jetzt gleich. Wir müssen zu einer Beerdigung." (Die Tante meines Mannes war gestorben.)
"Oh. Äh. Ja. Das ist jetzt ein bisschen blöd, weil wir Euch da gerade eine hohe Kante hingefräst haben, und da kommt Ihr mit dem Auto so nicht hoch..."
Na danke.
Wir haben es doch noch pünktlich zur Beerdigung geschafft. Dank eines gewissen Improvisationstalents unsererseits. Fragen Sie besser nicht nach Einzelheiten. Bezeichnenderweise haben uns die Men in Orange dann auch noch das komplette Wochenende abgeflattert gelassen. Wir nahmen es mit Humor. Und überlegten, wann es wohl soweit sein wird, dass man sich Lebensmittel auch per Drohne liefern lassen kann.
Mal im Ernst: Kann man bei solchen Aktionen nicht vorher Bescheid sagen? IST ES SO SCHWER, MAL DEN MUND AUFZUMACHEN?!
Anscheinend schon.
Ganz pragmatisch gefragt:
Hätte man nicht einfach zum Beispiel einen E-Mail-Verteiler für die Anwohner einrichten können, um uns so auf dem Laufenden zu halten? Das wäre eine einfache und kostengünstige Möglichkeit gewesen, um den Anwohnern die Sache wenigstens etwas zu erleichtern, weil sie dann wüssten, was auf sie zukommt. Aber auf solche Ideen kommt man ja nicht.
So hat man das Gefühl, der Strabag ausgeliefert zu sein. Ich habe auch mal bei dem Verantwortlichen bei der Strabag angerufen, aber nach der Erfahrung war es mir dann auch zu blöd. Ich bin Anwohner, kein Bittsteller. Und ich habe keine Lust, mich so behandeln zu lassen, als läge mein IQ jenseits von Gut und Böse.
Stattdessen laufe ich nun jeden Morgen zur Einfahrt hoch und gucke, ob ich wohl heute meinen Terminplan einhalten kann - oder mal wieder nicht. Ich komme mir schon dämlich vor, wenn ich ständig irgendwelche M.i.O. anquatschen muss: "
Hallo, guten Morgen, ich habe gleich um halb 10 einen Termin. Kann der zu mir hinkommen?" Oder: "
Meinen Sie, ich kann heute Mittag wieder wieder auf mein Grundstück fahren, wenn ich vom Gericht komme?" Ich hab' auch Besseres zu tun, vor allem, wenn es regnet.
Schön ist dann auch, wenn man von einem M.i.O., am besten noch mit Kaffeebecher in der Hand, die Antwort bekommt:
"Keine Ahnung. Sonst lassen Sie Ihr Auto doch am Berghagen stehen. Ist besser, sich die Schuhe zu versauen als das Auto."
Sonst noch was?
Ja. Letzte Woche erzählte mir ein Mandant, der sein Auto extra schon vor der Baustelle abgestellt hatte, dass er sich nach einem Termin bei mir blöde Kommentare von einem der M.i.O. hatte anhören müssen:
"Hey, das geht aber nicht, dass Sie hier hin und her laufen!" Glücklicherweise gehört dieser Mandant nicht zu denjenigen, die auf den Mund gefallen sind, so dass er dem M.i.O. auch gleich erklären konnte, weshalb das sehr wohl geht.
Verglichen mit solchen Aktionen fällt es da relativ wenig ins Gewicht, dass die Müllabfuhr nur eingeschränkt funktioniert und man drei Tage auf die Leerung seiner grauen Tonne warten muss. Oder dass man seine (immerhin geleerte) Papiertonne selbst vom Sammelplatz abholen kann, weil sie sonst wahrscheinlich bis zur nächsten Leerung noch oben an der Absperrung stehen würde.
Aber das Ende der Vollsperrung naht ja:
Ab der zweiten Dezemberwoche soll der Verkehr wieder fließen, wenn auch erstmal nur mit Tempo 50. Das habe ich jetzt - wie könnte es auch anders sein - nicht von der Strabag, sondern aus der Zeitung. Und es gilt auch nur, wenn das Wetter nicht dazwischen kommt. Ach, im Advent bleibt es bestimmt die ganze Zeit über warm, sonnig und trocken.
Auf Kleinigkeiten wie Straßenmarkierungen oder Leitplanken werden wir allerdings noch bis zum nächsten Jahr warten müssen -
Leitplanken sind wohl gerade Mangelware. Wurde da vielleicht mal wieder Material nicht rechtzeitig bestellt? Na ja, während des winterlichen Glatteises auf kurvenreichen Straßen mit tollen Abhängen zur Seite werden die Dinger ja auch komplett überschätzt.
Ich vergebe also 100 Gummipunkte, behalte mir aber vor, die Punktzahl in den nächsten Wochen noch zu erhöhen.
Allen einen schönen ersten Advent!